Politik

Verfassungsschutz observiert Anwälte unter Missachtung deren Status

Ohne Verfassungsbezug


Bücher über Geheimdienste - Symbolbild (Quelle: Pixabay)
Bücher über Recht - Symbolbild
(Quelle: Pixabay)
GDN - Die von dem Freiburger Rechtsanwalt Michael Moos zusammen mit seinem Kollegen Udo Krauß erstrittenen Einblicke in die Observationspraxis des Verfassungsschutzes weißen nach: Dass Anwälte, deren Kanzlei und Mandanten unter Missachtung deren berufsrechtlichen Privilegien ausgeforscht werden.
Der betreffende vom Verwaltungsgericht Stuttgart in zwei Urteilen entschiedene Rechtsstreit legt offen, dass anwaltliche Betätigungen, wie Strafverteidigerbesuche in Jusitzvollzugsanstalten ebenso gezielt ausgespäht werden, wie Kanzleien und deren Besucher/innen. Nicht zuletzt unterliegen sogar Vortragstätigkeiten von Rechtsanwälten/innen zu deren Berufstätigkeit sowie zu aktuellen Entwicklungen in Rechtsprechung, Justiz, Polizei und Gesetzgebung der geheimdienstlichen Observation. Entsprechendes gilt für formelle politische Betätigungen, wie etwa der aktiven Teilnahme an der Kommunalpolitik als demokratisch gewählte/r Abgeordnete/r einer Kommunalparlamentsfraktion.
Dies obschon es sich hierbei um nichts anderes als die vollkommen berechtigte Ausübung verfassungsrechtlich verbürgter politischer und beruflicher Grundrechte handelt. Ja in Bezug zu Anwaltstätigkeiten zudem aus dem Status als unabhängiges Organ der Rechtspflege für Vertreter/innen der Anwaltschaft höchstrichterlich anerkannte Privilegien erwachsen: Wie etwa das anwaltliche Verschwiegenheitsrecht, diverse Beschlagnahme- und Durchsuchungs-, sowie ggf. Abhörverbote. Aber auch das Recht ausnahmslos jedermann rechtlichen Beistand zu gewähren, um die Grundrechte - auch gegen den Staat - durchzusetzen und die Rechtsstaatlichkeit zu wahren. Dies alles sind tragende Pfeiler der freiheitlich-demokratischen Grundordnung - nicht weniger.
Alles das wird jedoch vom Geheimdienstapparat systematisch, chronisch und hartnäckig missachtet - der sich selbst euphemistisch als “Verfassungsschutz“ tituliert. Zum Nachweis der Richtigkeit dieser Darstellung verweist der Verfasser auf den detailreichen und nachprüfbaren Inhalt des nachfolgend verlinktes Medienbeitrages:

https://www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/433/ein-halbes-leben-observiert-6067.html

Dort wird der Ressortleiter des Ressorts Innenpolitik der “Süddeutschen Zeitung“, der Professor Heribert Prantl, welcher selber vor seiner Tätigkeit als Journalist Staatsanwalt und Starfrichter gewesen ist, wie folgt zitiert:
“Um den "weltumspannenden Angriff des Kommunismus" abzuwehren, wurden die sicherheitspolitischen Interessen der damaligen Bundesregierung mit denen des Grundgesetzes gleichgesetzt. Ein Verfassungsfeind war demnach, wer die deutsche Wiederbewaffnung, die militärische Westintegration oder den Schah von Persien als Bündnispartner kritisierte.“
Dieses Zitat stammt aus der nachfolgend verlinkten Primärquelle:

https://www.sueddeutsche.de/politik/prantl-strafgesetzbuch-grundrechte-menschenwuerde-1.4512794
Und das ist der springende Punkt, welcher den Schlüssel zur Beantwortung der Frage liefert, warum von den Grundrechten absolut gedeckte politische und berufliche Betätigungen Observationen - und ggf. Diversionen? - auslösen - obschon das verfassungsrechtlich nicht rechtfertigbar ist: Weil die wahre Aufgabe dieser nachrichtendienstlich agierenden Sicherheitsbehörden eben einen zur Gänze andere ist: Und nämlich in der Wahrung außen- und sicherheitspolitischer Konstanten besteht, welche sich aus der Einbindung Deutschlands in den so genannten Washington Consensus ergeben: Wie die Westbindung, die Bündnistreue im NATO-Gefüge, Historische Kardinalspflichten gegenüber den USA, Großbritannien, Frankreichs und Israels - sowie den Derivaten hieraus.
Von diesem Phänomen, das gezielt mit Darstellung einer vermeintlichen Relevanz verfassungsrechtlicher Vorgaben, verschleiert und übertünchst wird, sind alle politischen Spektren betroffene, welche von solchen Verfassungsschutzbehörden als Oberservationsobjekte jeweils nach dem vorgenannten Maßstab auserkoren werden gleichermaßen erfasst: Wie der nachfolgend verlinkte Artikel unter anderem verdeutlicht.

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.verfassungschutz-anwaelte-im-fokus-der-geheimdienste.86492cf3-ab7b-4c40-9449-ecfe57ad494b.html
Verfassungs- und Datenschutzrechtliche Regelungsinhalte sind in die Nachrichtendienstgesetze Deutschlands erst Mitte der 1980ziger Jahre infolge des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichts aufgenommen worden. Die ursprünglichen Gesetzte zum Verfassungsschutz, zum Bundesnachrichtendienst und zum Militärischen Abschirmdienst passten auf ein DIN-A-4-Blatt: Und definierten nichts weiter als die Existenz dieser Behörden mit ein paar sehr spärlichen Angaben zu deren Aufgaben und Befugnissen. Ferner gab es in den Anfängen, nämlich bis Mitte der 1950ziger Jahre rein gar keine gesetzlichen Grundlagen für diese Geheimdienste:
Vielmehr beruhte die Legitimation dieser - nur halbwegs de iure existierenden - “Behörden“ ausschließlich auf dem so genannten “Polizeibrief“, welcher vom Oberbefehlshaber der US-Besatzungsmacht (sic!) ausgefertigt wurde.

Davor gab es lediglich eine reine de-facto Geheimdienstorganisation, welche die Vorläuferorganisation des heutigen Bundesnachrichtendienstes war: Nämlich die so genannte “Agentur Gehlen“. Und in deren historischer Genese dürfte das bis heute fortwirkende Übel, nämlich des oben beschriebenen Phänomens der ausschließlichen Relevanz dezidiert “transatlantischer“ außen- und sicherheitspolitischen Konstanten - anstatt des Verfassungsrechts, seine Wurzel haben. Diese Historie wirkt bis heute fort: Das ist das Problem.
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